Interview mit Dr. Andreas Scheuermann

Das Warten hat ein Ende. Nachdem die Pfarrstelle im unteren Bezirk der Gemeinde einige Zeit vakant war, freuen wir uns jetzt sehr, bald unseren neuen Pfarrer begrüßen zu dürfen: Dr. Andreas Scheuermann. Oder einfach Andy. 😉

Wer Andy noch nicht getroffen hat, kann ihn und seine Familie ab April im Gottesdienst und an vielen anderen Stellen in der Gemeinde persönlich kennen lernen. Und wer nicht mehr so lange warten möchte, kann sich hier schonmal einen ersten Eindruck verschaffen. Denn Andy hat sich schon vorab die Zeit genommen, uns ein paar Dinge über sich zu verraten.

1. Zuerst einmal: Wo kommst Du her und was hat dich nach Nümbrecht verschlagen?

Ich wurde in Tübingen geboren. 1993 ist meine Familie nach Velbert-Nierenhof gezogen. Das liegt im westlichsten Zipfel von Westfalen, quasi schon an der Grenze zum Rheinland. Da bin ich aufgewachsen. Dann habe ich in Wuppertal, Greifswald und Tübingen Theologie studiert. Im Anschluss haben wir noch mal vier Jahre in Greifswald gewohnt, wo ich meine Dissertation geschrieben habe. Dann ging es nach Gelsenkirchen zum Vikariat. Da komme ich jetzt her.

Nach Nümbrecht verschlagen hat mich eine Anfrage der Gemeinde. Wir sind ins Gespräch gekommen, dann sind meine Frau Jana und ich vorbeigekommen und haben gemerkt: Das könnte richtig gut passen, dass wir hier gemeinsam Gemeinde bauen und vor Ort unterwegs sind, um von Jesus weiterzusagen.

2. Ihr zieht also von Gelsenkirchen nach Nümbrecht – das ist ein ziemlicher Kontrast. Bist Du eher ein Stadt- oder ein Landmensch?

Das ist gar nicht so leicht zu sagen. Ich mache sehr gerne Sport, auch draußen. Das spricht wohl eher fürs Land mit der schönen Natur. Und auch wenn das gar nicht so wirkt: Velbert-Nierenhof, wo ich aufgewachsen bin, liegt am Rand vom Ruhrgebiet und ist direkt in der Nähe der Elfringhauser Schweiz, also eher ländlich gelegen. Auch wenn ich kein typisches Dorfkind bin, würde ich also sagen, ich fühl mich auf dem Land sehr wohl.

3. Dein Vater ist Pfarrer in Velbert-Nierenhof. Du kennst den Beruf mit allem, was dazu gehört, von klein auf. Wolltest Du schon immer Pfarrer werden?

Ich hatte mir vorgenommen, in meinem freiwilligen sozialen Jahr (FSJ) eine Entscheidung zu treffen, was ich machen möchte. Ich hatte mir da so drei Optionen zurechtgelegt: Lehrer, Arzt oder Pfarrer. 

Lions Head, Berg nahe dem Tafelberg

Das FSJ hat mich mit der sportmissionarischen Organisation „Sportler ruft Sportler“ für ein Jahr nach Südafrika geführt. Dort habe ich in einem Jugendgefängnis Fußballtraining angeboten und das als Anlass genutzt, um mit den Jungs auch über ihr Leben und ihren Glauben ins Gespräch zu kommen.

In der Auseinandersetzung mit dieser Arbeit und auch einigen Erfahrungen in den Gemeinden vor Ort habe ich gemerkt, dass es wichtig ist, sich mit Theologie zu beschäftigen und gleichzeitig – bei all dem, was wir dort an physischer Not erlebt haben – dass das häufig zusammengehen muss: Menschen praktisch helfen, und für sie auch in Fragen des Glaubens ansprechbar sein. Ihnen etwas von Jesus weitersagen. Da ist die Entscheidung gereift, Theologie zu studieren.

4. Du hast u. a. bei Deinem Vater, gesehen, was es bedeutet, in der Gemeinde mitzuarbeiten. Im Studium hast Du Dich dann noch mal ganz anders – viel theoretischer – mit dem Glauben auseinandergesetzt. Hat das Deinen persönlichen Glauben verändert?

Das ist eine gute Frage. Vor dem Studium haben einige Leute zu mir gesagt: „Willst du dir das nicht noch mal überlegen? Das ist ein sehr kritisches Studium und manchmal verliert man dort den Glauben.“ Aber ich finde: Angst ist kein guter Ratgeber. Und ich glaube, dass unser Glaube sich ernsthaften wissenschaftlichen Anfragen stellen muss und kann. Bevor ich ins Studium gestartet bin, hat mein Vater für mich gebetet. Er hat darum gebeten, dass Jesus in dieser Zeit mein Lehrer ist. Das durfte ich dann auch in manchem Zweifel erfahren. Letztlich kann ich sagen: Es war eine richtig gute Zeit, auch wenn sie manchmal herausfordernd war. Und natürlich hat das Studium meinen Glauben auch verändert. Ich hoffe, er hat an Tiefe und Widerstandsfähigkeit gewonnen.

5. Du hast jetzt gerade Dein Vikariat – also den zweiten, praktischen Teil der Pfarrerausbildung – in Gelsenkirchen abgeschlossen. Bei all den Eindrücken, die Du schon vorher von der Arbeit als Pfarrer gesammelt hast: Gab es noch etwas, das Dich überrascht oder besonders herausgefordert hat?

Ich habe im Voraus nicht so viel von der Verwaltungsseite von Kirchen mitbekommen: wie viele Sitzungen man hat und wie viele Gremien es gibt. Das habe ich dann im Vikariat in manch langer Sitzung bis spät in den Abend, manchmal bis in die Nacht, mitbekommen. Das ist jetzt wirklich nichts, was mich begeistert. Und gleichzeitig weiß ich, dass es notwendig und wichtig ist, dass man sich dort engagiert. Denn in diesen langen Sitzungen werden wichtige Entscheidungen für die Gemeinde getroffen.

Dazu hatte ich bis zum Vikariat auch kaum Berührungspunkte mit Beerdigungen. In Gelsenkirchen habe ich das jetzt sehr häufig mitgemacht. Und Beerdigungen kommen ja nie zum richtigen Zeitpunkt, sondern immer plötzlich in eine volle Dienstwoche. Aber sie sind letztlich ein wichtiger und schöner Teil des Pfarrberufs. Wir dürfen Menschen in der Trauer Hoffnung und Trost weitergeben. Am Grab von Jesus zu sprechen hat einfach Kraft. Wenn der Tod uns so vor Augen steht zu wissen: wir kennen einen, der den Tod besiegt hat – das ist wunderbar!

6. Was macht Dir am meisten Spaß an Deiner Arbeit und was motiviert Dich weiterzumachen, wenn es mal stressig wird?

Ich predige total gerne, weil ich es liebe, mit Menschen über den Glauben, über ihre Anfragen an den Glauben, über ihre Zweifel, aber auch über ihre Freude ins Gespräch zu kommen. Gottesdienst feiern und predigen – das ist eine große Leidenschaft von mir. Gemeinsam das Reich Gottes zu bauen, egal wo das stattfindet. Ob mit Jugendlichen, jungen Erwachsenen, Familien, Älteren und Senioren – wenn ich merke, hier bricht was auf, hier verändert Gott das Leben von Menschen, dann motiviert mich das.
So von den Aktivitäten und Programmen her mag ich Freizeiten, Jugendarbeit und die Arbeit mit jungen Erwachsenen.  Da komme ich her. Das hat mich geprägt. Aber ich habe das Gefühl, dass ich überall da richtig bin, wo Menschen von Jesus angesprochen werden. Daran teilhaben zu dürfen, ist extrem motivierend.

7. Du hast dich in Deiner Doktorarbeit mit der Bedeutung populärer Lobpreismusik für den Gottesdienst auseinandergesetzt. Was ist Dein Fazit zum Thema?

500 Seiten mal eben zusammengefasst . 🙂 Schwierig! Ganz kurz gesagt: Musik kann uns auf dem Weg ins Gebet helfen. Dieser Weg kann ganz unterschiedlich aussehen und gestaltet werden. Aber am Ziel dieses Weges steht letztlich das Lob und die Anbetung. Wenn wir Gott begegnen und ein bisschen mehr von ihm erkennen, dann bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig, als ihn zu loben. Und die Praise-and-Worship-Musik kann ein Medium sein, genau das zu tun.

8. Wie wichtig ist Musik in Deinem Leben? Können wir uns darauf freuen, dass Du demnächst mal im Gottesdienst Musik machst?

Andy bei einem Konzert in Tübingen

Musik spielt in meinem Leben eine große Rolle. Ich höre gerne Musik und ich mache gerne Musik. Ich spiele Gitarre, Schlagzeug, ein bisschen Klavier und habe auch schon als Sänger in verschiedenen Bands mitgemacht. Ich bringe mich da auch gern in der Gemeinde ein. Aber nur, wenn viele andere mitmachen. Denn der Pfarrer als Alleinunterhalter im Gottesdienst tut Gemeinden in der Regel nicht besonders gut. 🙂

9. Was machst Du gerne, wenn Du frei hast?

Wenn ich mal einen Augenblick Zeit für mich ganz allein habe, mache ich gerne Sport, lese oder mache Musik. Das sind meine drei Lieblingsbeschäftigungen. Außerdem verbringe ich sehr gern Zeit mit Freunden. Ich mag es gerne, unter Menschen zu sein. Wenn wir als Familie zu viert unterwegs sind, unternehmen wir gern was. Fahren ein bisschen in die Natur, gehen spazieren oder auch mal in den Zoo.

10. In den letzten Monaten hast du Nümbrecht schon etwas kennengelernt. Was gefällt Dir besonders?

Auch wenn das ein bisschen klischeehaft klingt: Mich begeistern die Menschen, mit denen ich schon zu tun gehabt habe. Ich habe das Gefühl, Ihr seid begeistert von Jesus, begeistert von der Gemeinde und immer wieder auf der Suche danach, wie wir unseren Auftrag hier vor Ort ausleben können. Das ist das, worauf wir uns sehr freuen – neben der schönen Natur und den tollen Bedingungen, die uns erwarten. Dass Ihr das Pfarrhaus für uns vorbereitet, dass die Kinder gleich einen Kindergartenplatz und einen Schulplatz finden, das ist alles super. Aber wir freuen uns wirklich vor allem auf eine Gemeinde, die mit ganzem Herzen das tun möchte, was Jesus ihr aufträgt.

11. Und mit Blick auf die Zukunft: Was wünscht Du Dir?

Ich glaube, um das zu beantworten, muss ich Euch und die Gemeinde erstmal richtig kennenlernen. Aber grundlegend wünsch ich mir, dass wir ehrlich drauf hören, was Jesus vor hat für den Ort, für die Gemeinde, für die Region – und dann gucken, wie wir das umsetzen können. Ich wünsche mir, dass sich viele begeistern lassen, mitzumachen, dass wir eine offene Gemeinde sind, wo jeder dazukommen kann und erlebt, wie Jesus sein Leben verändert.

Ich weiß noch nicht, ob man sich das überhaupt wünschen muss, oder ob die Gemeinde schon so ist, aber ich wünsche mir, dass die Attraktivität von Jesus deutlich wird in der Gemeinde. Denn ich glaube, wo Jesus ist, da will eigentlich jeder gerne sein. Wenn wir ehrlich so von ihm weitersagen, wie er ist und ehrlich so leben wie er ist, dann gibt es eigentlich niemanden, der sagen kann: „Das kann ich nicht gebrauchen oder das ist nichts für mich!“

Wenn Jesus unsere Gemeinde bestimmt, kann jeder kommen. Und gleichzeitig ist da, wo Jesus ist, auch immer Veränderung, da ist immer Herausforderung und da ist sozusagen immer auch der Ruf in etwas Neues. Und das miteinander zu verbinden, das würde ich mir total wünschen. Für mich selbst. Für die Gemeinde. Und für alle, die sich einladen lassen.

12. Du kommst nicht allein nach Nümbrecht. Erzähl uns doch mal ein bisschen von Deiner Familie.

Ich bin seit 2015 verheiratet mit Jana. Wir kennen uns aus unserer Heimatgemeinde, aus der Jugendarbeit. 2018 sind wir Eltern geworden von Elija, der demnächst in die Grundschule in Nümbrecht kommt. 2020 ist dann Noah dazu gekommen. Er darf in die Arche in den Kindergarten gehen. Wir freuen uns darauf, da die anderen Familien kennenzulernen und anzukommen. Und wir sind total gespannt auf ein neues Zuhause und auf einen Lebensabschnitt, wo wir hoffentlich länger bleiben können als bei den vergangenen Stationen. Wir sind jetzt viel umgezogen und wir würden gerne mal wo ankommen und Wurzeln schlagen. Ob das möglich ist und wie das klappt in Nümbrecht, das werden wir dann alle miteinander rausfinden. Aber wir sind da sehr optimistisch, dass das funktionieren kann.

13. Wie sieht der perfekte Tag mit der Familie für Dich aus?

Ich liebe es zu frühstücken. Ich glaube der perfekte Tag beginnt so, dass wir als Familie entspannt zusammen frühstücken und die Jungs auch Lust dazu haben, sitzen bleiben und nicht gleich aufspringen. Dann würden wir wahrscheinlich irgendwo raus in die Natur – wir müssten ja nur aus der Tür rausgehen – und einen Ausflug machen. Danach würden wir zusammen etwas Schönes kochen. Noah kocht sehr gerne und hilft dabei immer schon tatkräftig mit, mit seinen 3 Jahren. Nachmittags würde ich mit den Jungs erst eine Runde Fußball spielen, dann Fußball gucken – das lieben die. Und abends sind die dann so platt, dass sie ins Bett gehen und ich einen Abend mit Jana zusammen habe. Dann haben wir einfach Zeit als Ehepaar. Das wäre für mich der perfekte Familientag.

Strand bei Kapstadt

14. Was war der schönste Urlaub und wo möchtest Du unbedingt noch hin?

Jana und ich sind nach meinem ersten Examen nochmal in Südafrika gewesen. Das war sehr beeindruckend. Wo ich gern nochmal hin würde? Da kann ich mir ganz viel vorstellen. Neuseeland würde ich mir gerne mal anschauen und auch Kalifornien. Ich würde gerne noch ein bisschen was von der Welt sehen. Und ich würde mir gern Gemeinden in aller Welt anschauen und mir von ihnen Inspiration holen für das, was in Deutschland vielleicht auch sinnvoll ist.

15. Stell Dir vor, jemand aus der Gemeinde möchte Dich besser kennen lernen, weiß aber nicht, worüber er oder sie mit Dir sprechen soll. Gib uns doch mal ein paar Tipps, worüber man mit Dir immer leicht ins Gespräch kommt.

Mit mir kann man quasi über alles reden – sagt Jana häufig. Das ist so eine Theologenkrankheit, dass man das Gefühl hat, von allem irgendwie Ahnung zu haben. Das stimmt dann am Ende nicht, aber man tut wenigstens so. Ich rede gern über Geschichte, über Gemeinde, über Theologie, über Musik, über Fußball, über Politik und Gesellschaft. Eigentlich über alles. Ihr könnt mit mir über alles quatschen und manchmal, wenn ich wirklich keine Ahnung habe, höre ich mehr zu oder gebe einfach trotzdem meinen unqualifizierten Senf dazu.

16. Angenommen Du kommst zu einem Hausbesuch vorbei: Womit kann man Dir eine Freude machen? Tee oder Kaffee? Süßes oder Herzhaftes?

Am liebsten Tee. Und am liebsten gar nicht so viel zu essen. Mein Vater hat mir mal gesagt, dass er versucht, drei Besuche pro Tag zu machen. Ob ich das auch so schaffen werde, sei mal dahingestellt. Aber wenn man jedes Mal ein Stück Kuchen isst, dann sind das locker 15 Stücke Kuchen in der Woche. Und das ist mir echt zu viel. 🙂 Deswegen: (Schwarz-)Tee ist super.

17. Gibt es einen Bibelvers, der dir in der letzten Zeit besonders wichtig geworden ist?

Ich durfte Silvester über Prediger 3 predigen. Das ist eigentlich gar kein Buch mit besonders inspirierenden Bibelversen. Aber in Prediger 3,11 heißt es: „Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.“ Häufig ist unsere Erfahrung ja eine ganz andere. Wenn wir von Katastrophen hören oder uns ein Schicksalsschlag trifft. Dann wirkt das überhaupt nicht so, als ob Gott alles schön gemacht und die Zeit geordnet hat. Aber Gott hat eine andere Perspektive als wir: die Ewigkeit. Das hat mich herausgefordert und ermutigt, Gott im kommenden Jahr zu vertrauen: in Zweifeln, wenn ich die Nachrichten schaue und mich frage: „Hat da überhaupt noch jemand die Kontrolle? Ist da jemand souverän am Werk hinter all dem?“ Prediger 3,11 sagt uns zu: Auch, wenn wir es nicht sehen, hat Gott diese Welt, unsere Gemeinden, unser Leben in der Hand und führt uns an ein gutes Ziel.

18. Danke, dass wir Dich im Interview besser kennen lernen durften. Wir freuen uns, demnächst im Gespräch noch mehr zu erfahren. Gibt es noch etwas, dass Du der Gemeinde sagen möchtest?

Wir freuen uns sehr auf Euch. Also: keine falsche Zurückhaltung. Es ist immer interessant, wie man in ein neues Umfeld reinkommt und die Strukturen und ungeschriebenen Gesetze der Kultur vor Ort noch nicht kennt: Wen spricht man an? Wen lädt man wie ein?

Wir freuen uns über jede Einladung und wir freuen uns über jeden, der sagt: „Hey, darf ich mal vorbeischauen bei Euch?“. Wir sind da und wir würden uns freuen, wenn Ihr Zeit und Lust habt, uns kennenzulernen. Wir sind gespannt, wie Nümbrecht, Harscheid, Berkenroth und all die ganzen Orte, die ich noch kennenlernen darf, so ticken.